
Sarah Estermann
wurde 1982 geboren und wuchs in Österreich und Südspanien auf. Sie studierte Germanistik, Medienkultur- und Kunsttheorien und Lehramt. Schon früh begann sie mit dem Schreiben von Fantasy- und Krimigeschichten, entdeckte dann ihre Leidenschaft für Drama und Drehbuch und wurde schließlich mit Eiszeit in der Kategorie Drehbuch für den Salzburger spec_script_Award nominiert. Von 2006 bis 2009 arbeitete sie am Linzer Landestheater als Regieassistentin und Dramaturgin. Danach begann sie ihre journalistische Laufbahn: Sie arbeitete als Kunstkritikerin für die Oberösterreichischen Nachrichten, verbrachte 2019 einige Monate in Jerez de la Frontera und gab das Jahrbuch für spanische Kunst und Kultur Flamenco divino heraus, war später als stellvertretende Chefredakteurin für das österreichische Lifestylemagazin moments tätig. Am 29. Juni 2020 wurde ihr Hörspiel Interview Nr. 173 auf Radio FRO uraufgeführt. Im Herbst desselben Jahres erhielt Estermann die Förderung des Landes Oberösterreich sowie ein Stipendium des BMKOES für die Arbeit an ihrem Theaterstück Pig’s Paradise. Mehrere ihrer Kurzgeschichten erschienen in Anthologien. 2021 gewann sie mit einem Essay die Herbstausschreibung der IG feministische Autorinnen. Mittlerweile lebt sie im Mittelburgenland, arbeitet als Redakteurin bei der Kronen Zeitung und schreibt an ihrem neuen Roman.
A Starship of One’s Own
(Auszug) Ich muss wohl gestehen, dass ich nicht viele Freunde habe. Auf die Frage „Warum?“ würde ich Ihnen wahrscheinlich antworten: Weil mir nichts daran liegt. Ich genüge mir selbst. Und trotzdem habe ich eine Freundin, eine einzige, die mir seit dem Kindergarten erhalten geblieben ist. Eine beste Freundin. Wir waren über Jahre hinweg unzertrennlich und erst nach dem Studium führten uns unsere Wege in verschiedene Richtungen.
Wenn ich zuvor behauptet habe, ich hätte ausschließlich deshalb keine Freunde, weil mir nichts daran liegt, dann ist das vielleicht nicht ganz richtig. Aber ich bin nun einmal ein scheuer Mensch, ich scheue den Vergleich. Es fällt mir schwer, andere Menschen an meiner Seite zu wissen, die besser sein könnten. Was heißt besser, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Besser heißt schöner, klüger, talentierter und so weiter. Ich bin nicht stolz auf diese meine Eigenschaft, aber ich kann sie auch nicht verleugnen. Also zurück zu meiner Freundin. Agneta. Sie ist weder hässlich noch dumm noch sonst in irgendeiner Weise missraten. Sie ist einfach anders als ich, in keinster Weise mit mir vergleichbar. Ist ihr Haar rot, ist meines schwarz. Ist sie klein und zierlich, bin ich groß und voluminös. Liegen ihre Stärken im Künstlerischen und Vergeistigten, so bin ich die nüchterne Wirtschafterin. In nahezu allem stehen wir einander diametral gegenüber. Unsere Interessen haben sich niemals überschnitten. Damit meine ich vor allem, dass wir uns nie in denselben Mann verliebt haben. Ich habe von besten Freundinnen gehört, denen Derartiges passiert sein soll und die von da an keine besten Freundinnen mehr waren.
Eines Tages, wir hatten uns über zwei Jahre hinweg nur mehr sehr sporadisch gesehen, rief Agneta mich an. Sie wollte mich treffen.
aus dem Buch:
Junge Literatur
Burgenland
Hg.: edition lex liszt 12
ISBN: 978-3-99016-205-7
