Katharina Kölle wurde 1984 in Eisenstadt geboren. Sie studierte Philosophie an der Universität Wien, Schauspiel an der Schauspielschule Krauss und ist heute freiberuflich als Autorin und Schauspielerin tätig.
2020 erschien ihr Debütroman Was ich im Wasser sah bei der Frankfurter Verlagsanstalt, der 2021 den Phantastikpreis gewann. Ihre Theaterstücke wurden ebenfalls ausgezeichnet. Mit Die Erde meiner Mutter gewann sie 2015 den Dramatikerinnenwettbewerb des Kosmos Theaters Wien. Der Fisch oder OPHELIAs LIED wurde vom Ersten Wiener Lesetheater gefördert und 2017 aufgeführt.
DER FISCH oder OPHELIAS LIED
Theatertext
(Auszug)
OPHELIA: Und Jessy, ich wollte dir nur noch sagen, dass ich wirklich kein Problem damit habe, mich auszuziehen...
JESSY: Wir reden noch.
OPHELIA: Ich bin wirklich nicht prüde oder so. Darüber müssen wir gar nicht diskutieren.
FRANZ: Aber du hast dich halt heute trotzdem nicht ausgezogen.
OPHELIA: Aber das war weil ...
ANATOL: Warum hat sie sich denn nicht ausgezogen?
JESSY: Das geht dich nichts an.
OPHELIA: Prinzipiell hab ich überhaupt kein Problem damit, ich mache das für die Kunst, kein Problem, ich war nur überrumpelt. Ich hab gedacht, das kommt erst in einem späteren Probenstadium.
JESSY: Darüber reden wir noch.
OPHELIA: Ich muss mich halt noch an euch alle gewöhnen.
JESSY: Und das Publikum? Musst du dich da auch erst an jeden einzelnen gewöhnen? Prinzipiell gilt, mein Wort ist Gesetz. Wer mir nicht folgt, fliegt raus. Kapiert?
OPHELIA: Ja.
JESSY: Du weißt ja nicht, was das für einen Effekt hat, wenn man ein halbnacktes, junges Mädchen auf den Pressefotos sieht. Da kommen sie dann in Scharen. Das ist immer so.
IXI: Das stimmt.
FRANZ: Die großen Theater machen das auch alle so.
JESSY: Sonst kommt ja keiner.
FRANZ: Weißt du schon, was du für die Premieren-Feier anziehst?
OPHELIA: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
FRANZ: Du musst dich wirklich nicht verstecken. Weißt du, die meisten Frauen haben ja was zu verstecken, die haben einen zu großen Hintern oder X-Beine oder O-Beine oder Brüste wie Bananen oder Haare um den Nabel oder Wimmerl am Rücken oder schwabbelige Oberarme, jede Frau hat sowas, die sieht man im bekleideten Zustand, denkt sich, fesch, super Figur und dann zieht sie sich aus und man sieht, dass ihr die Euter bis zum Nabel hängen und nur der Push-Up sie zusammengehalten hat.
OPHELIA: Schon komisch, dass Frauen meistens so hässlich sind und Männer immer großartig ausschauen.
aus dem Buch:
Junge Literatur Burgenland
Clara Heinrich, Thomas Hofer, Katharina Köller, Christoph Reicher
Band 6
ISBN: 978-3-99016-234-7
Hg.: edition lex liszt 12, 2022