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Günter Unger wurde 1941 in Eisenstadt geboren. Dr. phil., Historiker und Schriftsteller, Mitglied des PEN-Clubs. 1970–2001 Leiter der Kulturabteilung im ORF-Landesstudio Burgenland, 1977–1989 Lehrbeauftragter am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Wien, 1978–1996 Herausgeber der Literaturzeitschrift WORTMÜHLE, 1989–1991 Geschäftsführer des Symposions Europäischer Bildhauer St. Margarethen, Kurator von Kunstausstellungen. Veröffentlichte u.a. Lyrikbände, Hörspiele, Bühnenstücke, Erzählungen. Bücher:  „Alltagsblassuren/bravouren“  (Gedichte), „Die Atmosphäre ist Poesie“, „Burgenland mon amour“ (zwei Kunstbände), „Hunnen sterben anders“ (Roman), „Ordensfrau und Freigeist/ Sr. Irmgardis / Dr. Gabriele Strausz (1920 -2014)“ (Biografie), „Künstler  im Rabnitztal“ (Dokumerntation), „Malwine oder die Macht der Konformisten“ (Bühnenstück) , die letzten drei bei edition lex liszt 12.

Das goldene Rad

(Auszug)

In einem der Buschenschänken im Weingebirge nahe von Monyorókerék bin ich zum ersten Mal dem Maler Hans Oster begegnet. Einem für mich mehr als merkwürdigen Mann, der schon seit vielen Jahren in der Gegend lebt. Das allerdings mehr als bescheiden. Eigentlich schon ärmlich. In einem alten, bereits baufälligen ehemaligen Kleinbauernhaus, ein traurig machendes Gebäude, wie man seinesgleichen trotz des unverkennbaren materiellen Fortschritts auch in der Gegend hier noch hin und wieder antreffen kann. Osters Häuschen befindet sich am Beginn einer Rotte, gut zwei Kilometer außerhalb des Dorfes Nemethlövő. Das Haus habe er wegen dessen für jeden sichtbaren Verfalls recht günstig erwerben können, betont er, um ihm geneigte Gäste nicht davon abzuhalten, ihn auf das eine oder andere Viertel vom hier überwiegend gekelterten Blaufränkischen bzw. wie er gerne sagte, „Kékfrankos“ einzuladen. Hatte Oster bereits mehrere Gläser des mineralreichen und würzigen Weines intus, erzählte er gerne und launig von seiner großen Zeit vor mehr als einem halben Jahrhundert im Norden Deutschlands, wo er für das CDU-nahe „Flensburger Tagblatt“ regelmäßig politische Karikaturen gezeichnet hätte und dadurch zu seinem Ruf als „Adenauers Kritzelfritze“ gekommen wäre.

Hier in Németlövő versuche er, sich vor allem mit Auftragsmalereien über Wasser zu halten. Ölbilder für Kunden aus Deutschland, vorwiegend aus Bayern. Aktuell nach fotografischen Vorlagen von gestellten Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg. Manche in großen Formaten, wenn es sich um Panzerschlachten von Hitlers Wehrmacht gegen die Rote Armee handelt. Auch ein halbfertiges Porträt des Führers als körperlich schon gebrochener Mann, unmittelbar vor dem Ende des Diktators im Bunker unter der Reichskanzlei in Berlin, zeigte er mir als Ergebnis eines solchen Auftrags, als ich ihn zum ersten Mal in seiner desolaten Bleibe besuchte. Dort hing auch ein Selbstporträt des Malers an der Wand, in dem er sich wie eine Figur aus einem Hemingway-Roman dargestellt hatte. Mit einer Flasche Whisky in der Hand. Im Hintergrund das Meer mit einem schwerbewaffneten Kriegsschiff.

(Aus dem Roman „Das goldene Rad“, erschienen bei Lex Liszt 12)

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