velich
© Christian Ringbauer

Philipp Velich wurde 2001 in Apetlon, nahe der ungarischen Grenze, geboren, wo er auch lebt. Er besuchte das Gymnasium in Neusiedl am See. Die engagierte Deutschlehrerin vermochte es, ihn so für Literatur zu begeistern, dass er begann sich direkt als auch indirekt mit der Materie vertrauter zu machen. Ob beim Schreiben von Kurzgeschichten und Erzählungen, Sachtexten über Politik oder beim Lesen der federleichten Geschichten von Truman Capote, opulenter historischer Texte von Tolstoi, präziser Charakterschilderungen Dostojewskis ist Literatur eine seiner liebsten Beschäftigungen – neben Fußball, einem Sport, den er selbst ausübt und an dem ihn die hohe taktische Disziplin, die Interaktion von Reihen und Individuen, die immense Fitness und damit verbundene Eleganz am Ball begeistern.
 

Blake (Auszug aus dem Zyklus)

III: The Great, Red Dragon and the Woman dressed with the Sun
(...) Er war gerade auf Stippvisite in Washington, denn nun hatte er Zeit, Zeit die Dame im Sonnengewand – sie war vor kurzer Zeit nach Washington umgezogen – zu verfolgen. Er hatte nur noch ein Ziel. Und diesem Ziel kam er in kleinen Schritten näher. Er hatte seine Anstellung als Universitätsprofessor aufgegeben und sich pensionieren lassen. Er hatte die Arbeit nicht mehr gebraucht, zumal er so und so ein enormes Vermögen besaß. Er hatte seine Erfüllung nun im hohen Alter gefunden, seine Metamorphose vollzogen. In seinem Palast, zu Hause in Detroit, hatte er sich eine Statue des Roten Drachen für seine Bibliothek anfertigen lassen. Und eine Krone, so prachtvoll wie die der mittelalterlichen Aristokraten. Und diese Krone schmückten zehn Hörner, Hörner so spitz wie die Klinge des Katanas eines japanischen Samurais, so glänzend wie die englischen Kronjuwelen und so gefährlich wie Zähne eines Taipan. Die letzte famose Feinheit seines Auftritts als Roter Drache. Nun würde er in Erscheinung treten. Er hatte seine ersten Opfer gefunden. Er stand vor deren Haus. Er würde den Status einer Ikone einnehmen. Doch zunächst wollte er noch legendär werden, legendär als der Rote Drache. Er öffnete ein Fenster des Hauses mit einem Glasschneider. Die beiden waren in einem anderen Raum, im Wohnzimmer, und sahen fern. Er stieg durch das Fenster ein. Er hatte sich selbst Zutritt zum Haus verschafft. Er stand in der Küche. Der Parkettboden knarrte. Die Wanduhr schlug. Aus dem Wohnzimmer hörte man den Fernseher laufen. Er entledigte sich seiner Robe und seines Pullovers. Es war warm, äußerst warm. Er trug einen Plastiküberzug an seinem Oberkörper, um keine Spuren zu hinterlassen. Er tappte vorsichtig in Richtung Wohnzimmer. Er würde sich offenbaren. Und sie, sie würden im Anblick des Roten Drachen erstarren. Er zog sein Wurfmesser ...

aus dem Buch:
Junge Literatur Burgenland
Isabella Draxler - Dominic Horinek - Julia Lückl - Philipp Velich
Band 3
Hg.: © edition lex liszt 12, 2019

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