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© Christian Ringbauer

Julia Lückl wurde 2001 in Wien geboren, lebt in Eisenstadt. Seit 2015 besucht sie die Sir Karl Popper Schule in Wien. Seit etwa drei Jahren widmet die 17-Jährige dem Schreiben viel Zeit, reicht bei verschiedenen Wettbewerben ein und nimmt an den zahlreichen Schreibworkshops in Wien und Graz teil. Mit ihren Texten hat sie u. a. bereits den Jugendliteraturwettbewerb Texte, den ORF-Wettbewerb Textfunken, den Preis der Jugendliteratur. werkstatt Graz, den Wiener Exilpreis und das Goldene Kleeblatt gewonnen. Sie lernt Englisch, Spanisch und Russisch und engagiert sich in mehreren schulischen Projekten, wie der Schülerzeitung, wo sie als Chefredakteurin tätig ist. Nach ihrer Matura plant sie Germanistik zu studieren.
 

Nur vier Wände (Auszug)

Über den Fernsehbildschirm vor Stefan zog der Abspann des Filmes. Er nahm die Fernbedienung vom Sofatisch und drehte ab. Der Raum wurde dunkler, nur die Stehlampe warf noch etwas Licht auf ihn und auf den Tisch, dorthin, wo schon das Abendessen für Jana stand. Ein Plastikdeckel war über den Nudelteller gestülpt und er hatte ein Weinglas daneben gestellt. Wenn er von dem Glas nach oben sah, konnte er die Uhr sehen, aber ihr Zifferblatt lag im Schatten und er erkannte die Zeiger nicht. Er griff nach der Bierflasche auf dem Sofatisch, aber sie war schon leer und er stellte sie zurück. Rechts daneben lag noch eine Kopie der Bewerbung. Sein Gesicht war in der Ecke des Blattes abgebildet, der Lebenslauf in der Mitte zusammengefasst. Ein Brief lag darauf, das Kuvert hatte er beim Aufmachen zerrissen. Stefan lehnte sich nach vorne, strich das Papier glatt. Es war also doch nicht alles umsonst gewesen, dachte er und stand auf. Er nahm den Brief, die leere Bierflasche stellte er in die Küche. Dann drehte er das Licht ab.
Die Tür des Kinderzimmers hatte er vorhin nur angelehnt gelassen. Er sah kurz hinein, Tim und Lina schliefen. Lina hustete im Schlaf. Vorsichtig schloss er die Tür, ging in sein eigenes Schlafzimmer, öffnete das Fenster und setzte sich auf seine Bettseite. Den Brief legte er auf den Nachttisch. Er drehte sich um, betrachtete Janas Nachthemd, das gefaltet auf ihrem Kopfpolster lag. Er hatte es heute für sie gewaschen. Sein Blick fiel auf ihren Nachttisch. Darauf stand das Foto von ihrer letzten gemeinsamen Reise, aber er erkannte im Dunkeln nur die Umrisse des Rahmens.

aus dem Buch:
Junge Literatur Burgenland
Isabella Draxler - Dominic Horinek - Julia Lückl - Philipp Velich
Band 3
Hg.: © edition lex liszt 12, 2019

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